Balou ab 2012 mit zunehmend größerer "Sicherheit" Zuhause
Hoschi 2018 - Außenvoliere, alles Neu, ungeregelter Tagesablauf
Hoschi 2021 - Baustelle, Lärm, geregelter Tagesablauf
Papageien und Rituale
Vorab, ich bin kein genereller Freund von rituellen Abläufen in der Tierhaltung, weil diese meist zu Problemen in der Haltung führen. Schnell entsteht daraus eine Abhängigkeit von Mensch und Tier, bei der das Tier irgendwann die Führungsrolle übernimmt und der Mensch mit den entstehenden Problemen leben muß.
Wie sich das dann darstellt kann man im Netzt schnell auf entsprechenden Seiten finden.
Dennoch betrachte ich bestimmte "rituelle Abläufe" nicht immer als schädlich sondern durchaus auch als Möglichkeit Probleme in geregelte Bahnen leiten zu können.
Aber fangen wir Vorne an. Was ist ein Ritual überhaupt?
Wikipedia hält dazu folgende Beschreibung parat:
"Ein Ritual ist eine nach vorgegebenen Regeln ablaufende ... Handlung mit hohem Symbolgehalt. Sie wird häufig von bestimmten ... festgelegten Gesten begleitet. Ein festgelegtes Zeremoniell (Ordnung) von Ritualen oder rituellen Handlungen bezeichnet man als Ritus. "
Ein Ritual, oder ein ritueller Ablauf ist demnach nicht generell etwas schlechtes, ganz im Gegenteil, er steht für einen geordneten vorgegebenen Ablauf.
Problematisch wird es mit dem Ritual in der Tierhaltung erst, wenn der Halter nicht aufpasst und sich der Tagesablauf zu einer Sammlung von Ritualen entwickelt, sich dann daraus, wie oben beschrieben, ein Ritus bildet. Eine (dann irgendwann notwendige) Aneinanderreihung von Ritualen die den Tagesablauf bestimmen und die Zeit des Tierhalters reglementieren.
Ich will hier aber nicht weiter auf die Nachteile eingehen, sondern die Chancen von Ritualen aufzeigen, basierend auf der eigenen Erfahrung.
Einleitend kommt eine Hundegeschichte, aber es geht dann auch mit Papageien weiter, keine Bange ;-)
Als wir im September 2011 unseren Labrador-Schäferhund-Mix "Balou" aus dem Tierheim übernahmen, da wussten wir: Der Hund hat echte Probleme!
Schon bei den ersten Besuchen im Tierheim und bei den Spaziergängen zeigte sich deutlich, dass Balou extreme Angst hatte. Aus dieser Angst formte sich eine enorme Angst-Aggression, gegen andere Hunde und alles Neue. Konnte Balou dem "Problem" nicht ausweichen, so wurde es angegriffen. Sein Verhalten war auch durch die an das Tierheim angrenzende Hundeschule nicht gut in den Griff zu bekommen. Als wir Balou übernehmen wollten hat man uns ernsthaft gefragt: "Wir haben so viele schöne Hunde, warum gerade den mit dem Knall?"
Die Antwort war einfach, manchmal sieht man ein Tier und es macht "Klick" irgendwie hat man das Gefühl es passt. Dazu kam, dass Balou (erstaunlicher Weise) extrem gut mit unserer Lena zurecht kam. Wahrscheinlich auch, weil Lena nie schlechte Erfahrungen machte und gänzlich unbedarft in den ersten Kontakt mit Balou ging, so als ob sie seine Warnungen nicht verstehen könnte oder wollte. Kurz und gut, es passte bei den Beiden und jetzt hatten wir einen Angsthund im Haus.
Um die Geschichte abzukürzen, außerhalb der heimischen Mauern und Zäune war es fast unmöglich mit dem "35kg-Irren" irgendwie entspannt spazieren zu gehen. Autofahren war unmöglich, jeder (professionelle) Trainingsversuch machte so viel Stress, dass es in Erbrechen, Durchfall und stundenlangem Rückzug von Balou endete.
Hier komme ich jetzt zum Thema "Rituale".
Wir konnten über die Jahre bestimmte rituelle Abläufe etablieren. In einem Maß, in dem wir dem Hund die nötige Sicherheit und Ruhe und uns dennoch genug Zeit und Freiraum geben zu können. Dabei sind die Abläufe nicht an Zeiten, sondern an Abhängigkeiten gekoppelt.
Wir füttern nicht um eine bestimmte Uhrzeit, sondern nach dem Aufstehen. Wir gehen nicht zu einer festen Uhrzeit raus, sondern nach den Hunde-Mahlzeiten, wenn es uns passt. Ich nenne es gerne Rituelle-Ablauf-Eckpfeiler. Sie geben dem unsicheren Tier einen gewissen geregelten Ablauf, den auch unsere Tiersitter gewähleisten können, wenn wir mal ausfallen.
Ähnlich stellt es sich bei unseren Vögeln dar. Nach einer Aspergillose-Erkrankung und einer wirklich langen Phase der Behandlung, kam es bei unseren Grauen immer wieder zu Rupfanfällen. Wer Rupfis im Haus hat, der kennt die Problematik. Immer wenn man denkt, man hat den Grund gefunden oder man wäre der Lage Herr geworden, dann lassen sie wieder Federn. Federrupfen und -beißen ist häufig ein Tick, so wie Fingernägelkauen. Es ist wirklich schwer dieser Situation Herr zu werden. Kann man gesundheitliche (organsiche) Probleme ausschleßen, dann ist es naheliegend, dass es sich um eine psychische Problematik handelt, häufig Unruhe.
Ein gewisser geregelter Tagesablauf kann auch hier, zumindest in Teilen, das Rupfen oder andere ähnliche Verhalten reduzieren. Auch, oder gerade besonders, bei Papageien ist aber darauf zu achten, dass man das Maß der Rituale nicht übertreibt und nicht in einen Ritus verfällt.
Bei uns stellt es sich so dar, dass nach den Hunden die Vögel gefüttert werden. Die tägliche Volierenreinigung findet eigentlich immer am Abend statt, wenn auch die Futternäpfe entfernt werden und anschließend das Licht aus geht. Wobei das zu unterschiedlichen Zeiten passieren kann, je nach Arbeitszeit. So werden alle Abläufe nicht an Zeiten angelehnt, sondern an einer Reihenfolge. Das gibt uns als Halter "das Steuer" in die Hand. Wir regeln den zeitlichen Tagesablauf und beachten dabei nur bestimmte Reihenfolgen in den Gesamtabläufen. Wir binden uns damit nicht persönlich sehr ans Tier und erzeugen damit keine zwangsläufigen Tier-Mensch-Abhängigkeiten. Auch hier können die Rituelle-Ablauf-Eckpfeiler jederzeit von unseren Tiersittern eingehalten werden, wenn es nötig sein sollte.
Wenn also im Urlaub oder Krankheitsfalle mal andere Menschen unsere Tiere betreuen, dann fehlt erst einmal nicht "die Person", weil die Abläufe weiter geregelt sind.
Ich will natürlich nicht verschweigen, dass es trotzdem immer wieder Tiere geben wird, die eine enorme Menschenbindung haben. Das ist aber, in meinen Augen, zum einen der Aufzuchtmethode "Handaufzucht" geschuldet, zum anderen auch den individuellen Haltungsbedingungen.
Mit Tieren, die in Wohnräumen "mit dem Menschen" leben, wird immer auch (selbst unwillkürlich) Kommunikation auf die eine oder andere Weise getrieben. Da schleichen sich schnell rituelle Vorgänge ein, die nicht sein sollten. Der Halter ist immer der entscheidende Faktor, wenn es darum geht, dass Rituale zum Ritus und damit zum Problem werden.